Die meisten Menschen nehmen die jährliche Vergabe des Nobelpreises eher am Rande wahr. Als kurze Schlagzeile in den Zeitungen sagen die meisten Namen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Durchschnittsmenschen eher wenig. Denn wer kennt schon Reinhard Genzel oder Subrahmanyan Chandrasekhar außerhalb ihrer Disziplinen? Wichtig ist vielmehr, wofür die Forscherinnen und Forscher den jeweiligen Nobelpreis bekommen, denn das sind immer wichtige Errungenschaften der Menschheit oder bahnbrechende neue Erkenntnisse.

Insgesamt werden nur sechs Bereiche der Wissenschaften ausgezeichnet. Darunter fallen Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Friedensbemühungen. Alfred Nobel, der Stifter dieser Preise, hatte dabei vor allem die Wissenschaften bedacht, die objektiv messbar waren. Dass das schon zu Beginn kontrovers diskutiert wurde, ist verständlich, denn die Mathematik als objektive Disziplin dabei nicht anzuerkennen, erscheint noch heute vielen eher zufällig. Mathematische Erkenntnisse helfen uns tagtäglich beim Überleben.

Man nehme nur das Glücksspiel. Ein Besuch in einem Casino wäre ohne die Statistik undenkbar. Im Vulkan Vegas würde ohne Mathematik kein einziger Cent verdient werden können, weder bei den Spielerinnen und Spielern, noch bei den Casinobetreibern. Oder nehme man nur die Computer, die uns tagtäglich unterstützen. Die gesamte moderne Technologie stützt sich auf Mathematik.

Außerdem hat Alfred Nobel Literatur und Friedensbemühungen ebenfalls dazu genommen, die keinesfalls objektiv zu bewerten sind und bis heute, wie keine andere Auszeichnung, am meisten diskutiert werden.

Die Kontroverse um die Astronomie

Doch noch eine zweite Disziplin stand lange nur im Schatten seiner großen Schwester. Die Rede ist von der Astronomie, die bei der Vergabe der Nobelpreise im Bereich der Physik angesiedelt ist, jedoch lange Zeit gar nicht ausgezeichnet wurde. Man sah die Astronomie als Teildisziplin der Physik. So wurde die Erde als Beweisgrundlage vom Nobelpreiskomitee dem Universum vorgezogen. Das ist auch der Grund, weshalb Edwin Hubble, der herausfand, dass unsere Milchstraße nur ein Teil eines viel größeren Universums ist, von der Akademie lange Zeit nicht anerkannt wurde.

Der Blick in das Universum, der nur über Teleskope und aufwändige Apparaturen möglich ist und dabei hauptsächlich auf indirekte Beobachtung beruht, kam mit der terrestrischen Physik, die wiederholbare Experimente in Laboren machen konnte, nicht mit. Vor allem Beobachtungen von Forscherinnen und Forschern wurden in der Wissenschaft lange als Theorien abgetan.

Edwin Hubble verbrachte mit seinen Entdeckungen ein Leben ohne Anerkennung aus Schweden, obwohl die Fachpresse seine “Theorien” längst als bahnbrechende Erkenntnisse gefeiert hatte. Vermutlich war es diese Ungerechtigkeit, die ausschlaggebend dafür war, schließlich auch Astronomen und Astronominnen mit dem Physiknobelpreis auszuzeichnen. Seither bekommen ab und zu Forscherinnen und Forscher aus dieser Disziplin die begehrte und nunmehr mit 10 Millionen Schwedischen Kronen dotierte Auszeichnung.

Zuletzt war das 2019 und 2020 direkt hintereinander der Fall, was in der Fachwelt durchaus eine Besonderheit darstellt. Denn endlich scheint das Nobelpreiskomitee und die Gesellschaft der Astronomie und damit dem Blick in das Universum mehr Bedeutung beizumessen.

Von den Sternen träumen oder auf dem Boden bleiben?

Für die Forscherinnen und Forscher, die sich nicht mit der Physik der Erde beschäftigen und lieber den Blick in das Universum suchen, ist klar, dass das durchaus zum Nutzen der Menschheit passiert. Dennoch ist noch heute die Astronomie für viele keine Wissenschaft, in die es sich lohnt, Geld zu investieren. Schließlich ist die Technologie, die dazu genutzt wird, die teuerste überhaupt. Man denke nur an die Weltraumteleskope, die in der Entwicklung bis hin zum Einsatz Milliarden verschlingen.

Doch wer sich die Erkenntnisse der Astronomie, die seit jeher in den Kulturen der Menschheitsgeschichte praktiziert wurde, genauer anschaut, erkennt, dass mit ihr viel für uns auf der Erde getan wurde. Es beginnt beim Kalender, der sich anhand der Gestirne orientiert. Die Navigation in der Schifffahrt hat den weltweiten Handel bis hin zur Reise der Europäer auf den amerikanischen Kontinent möglich gemacht. Doch nicht nur unsere Wirtschaft und Kultur sähe ohne Astronomie heute ganz anders aus.

Neue Forschungen der Astronomie gehen auch in Richtung der Gefahren, die von dort drohen. So weiß man heute, dass die Auslöschung der Dinosaurier, die vermutlich durch einen Kometen verursacht wurde, erneut geschehen kann. Teleskope suchen daher für die Menschheit den Himmel ab, um Asteroiden frühzeitig zu erkennen und deren Laufbahnen zu berechnen. Auch Sonnenwinde, die unsere Telekommunikation jederzeit zerstören können, werden von Astronominnen und Astronomen beobachtet und untersucht.

Eine andere Sicht auf die Welt

Doch zuletzt ist auch der Perspektivwechsel durch die Astronomie eine Errungenschaft, die uns Menschen von großem Nutzen sein kann. Denn durch den Blick in andere Galaxien wird uns deutlich, wie fragil das Leben auf der Erde überhaupt ist. Gerade das Jahr 2020, in dem die Menschheit das erste Mal gespürt hat, dass alle Menschen angreifbar sind, egal wo der oder die Einzelne sich befindet, zeigt, wie klein unser Lebensraum ist. Die Klimakrise, die viele noch aus dem Gedächtnis verdrängen, zeigt es ebenso.

Längst ist durch das Beobachten der Sterne die Idee entwickelt worden, andere Planeten zu besuchen. Zunächst nur in der Fantasie durch Romanautorinnen und -autoren und zuletzt sogar mit wissenschaftlichen Fakten untermauert. Denn durch die Entdeckungen des ersten Exoplaneten 1995 von den Forschern Queloz und Mayor ist das in greifbare Nähe gerückt. Sie bekamen dafür 2019 den Physiknobelpreis verliehen. Seit 1995 sind bereits über 4.000 Planeten und über 3.000 Sonnensysteme gefunden worden. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten das Finden eines erdähnlichen Planeten in absehbarer Zeit für sehr wahrscheinlich.

Ob sich die Vergabe der Nobelpreise im Themenbereich Astronomie als Trend erweist, ist derzeit noch nicht abzusehen. Allerdings zeigt der derzeitige Blick auf die Astronomie, dass eine neue Sichtweise auf die Menschen durch die Wissenschaft gewünscht ist und nun auch seine kulturelle und finanzielle Anerkennung findet. Das sollte Forscherinnen und Forscher ermuntern, den bis dato stiefmütterlich behandelten Blick in die Sterne zu suchen, denn nur so ist ein Perspektivwechsel möglich.

Die Astronomie, der Blick in die Sterne, zeigt uns, wie klein ein Menschenschicksal ist. Nicht nur die Größe des Universums hilft dabei, sondern auch die Zeit. Denn ein Blick in die Sterne ist immer auch ein Blick in die Vergangenheit. Je weiter wir uns hinauswagen, desto insignifikanter wird der oder die Einzelne. Dieser nüchterne Blick auf das eigene Leben und Tun auf der Erde sollte jedem Menschen zu denken geben.